Clownsnummern zum Ende des „In Transit“-Festivals: die Choreografinnen Mathilde Monnier und La Ribot zeigen in Berlin ihre neuen Arbeiten




Sehen so Clowns aus? Wenn Mathilde Monnier und La Ribot in ihren schwarzen Bodies auf die Bühne stöckeln, muten sie wie Showgirls an. Doch dann produzieren sie ein Wimmern, das in Schluchzen übergeht. Ab und an wischen sie sich eine unsichtbare Träne aus dem Auge. Zwei weinende Clowns, die den Tod bejammern und sich dabei schon mal laut schneuzen. Mit der lustigen Heulnummer beginnt das Duo „Gustavia“, das sich zum Abschluss von „In Transit“ auf handgreifliche Weise mit dem Festivalmotto „Widerstand des Objekts“ auseinandersetzt.

Mathilde Monnier ist eine der wichtigsten Choreografinnen Frankreichs. Die Spanierin La Ribot wurde vor allem durch ihr Projekt „Piezas distinguidas“ bekannt, eine Serie von 30 Sekunden bis sieben Minuten dauernden Kurzsoli. Beide Frauen sind fantastische Performerinnen, zusammen sind sie unglaublich komisch. Sie treten unter dem männlich-weiblich changierenden Künstlernamen „Gustavia“ auf. Zwei Diven, die gleichzeitig die dämlichsten Dinge tun. Ihr Duo analysiert die Codes und Techniken der Burlesque und ist zudem eine gewitzte Reflexion über Weiblichkeit und Komik. Sie rennen wie Hennen, werfen sich furchtlos in komische Deformationen, jagen alle weibliche Anmut zum Teufel, sind schrill, hemmungslos und sexy.

Oft werden die Vorgänge so lange wiederholt, bis es weh tut. Etwa in der Szene, in der Mathilde Monnier von der unachtsamen La Ribot immer wieder ein Brett vor den Kopf geknallt bekommt. Jedes Mal fällt sie zu Boden und rappelt sich wieder auf – bis zum nächsten Schlag. Die Aggression gegen die Körper, die dem Komischen oft innewohnt, wird hier sichtbar. Große Themen werden bei der Burlesque mit kleinen Kalamitäten zusammengebracht. Wenn die Boxerin Monnier sich in schwächlichen Punchs verausgabt und schließlich im Vorhang verheddert, dann scheint sie mit gewaltigen Kräften zu ringen.

Das Finale ist ein furios komisches Ballett der Worte und Gesten. Jeder Satz beginnt mit „Eine Frau ...“. Das imaginär Weibliche kann selbst die widersprüchlichsten Attribute in sich aufnehmen. Es ist grausam und furchtsam, sexuell und ökologisch, interstellar! Das Duo skizziert Bilder wie ein kubistischer Maler: Schenkel, die sich öffnen und schließen, ein Bonsai, der aus dem Bauch wächst. Lustvoll werden Weiblichkeitszuschreibungen ad absurdum geführt. Wer Gustavia ist, entzieht sich. Die sprachlichen Arabesken enden mit dem Satz „Eine Frau in der Dunkelheit“. „Gustavia“ schwelgt in rabenschwarzer Komik und ist zugleich erhellend. Sandra Luzina

Tagesspiegel
Sandra Luzina
21/06/09